Studienreise nach Luckenwalde – Jüterbog – Wünsdorf zum 10-jährigen Bestehen von Netzwerk Bau und Forschung – 15.09.2022 bis 18.09.2022
Auf unserer Studienreise konnten wir verschiedene industrielle, städtische, kirchliche und militärische Hinterlassenschaften vorstellen und mit Ihnen die heiklen Fragen der Umnutzung, des sinnvollen Um- und Weiterbauens diskutieren. Es war eine Zeitreise, bei der wir Gebäude zu sehen bekamen, die ihrem Verfall zusteuerten. Andere waren bereits saniert, warten aber immer noch auf eine neue Bestimmung. Für einige haben sich bereits neue und sehr interessante Entwicklungschancen aufgetan.
Unsere Zeitreise führte uns nach Luckenwalde, Jüterbog und Wünsdorf im Bundesland Brandenburg, südlich von Berlin. Auf einzigartige Weise waren wir hier diesen Bauwerken begegnet und konnten sehen, welche großen Herausforderungen noch warten und was Chancen bewirken können.
Bibliothek – Luckenwalde
Der Bahnhof von Luckenwalde wurde 1841 mit der Bahnstrecke Berlin-Halle in Betrieb genommen. 1910 gebaut, wird das Empfangsgebäude heute als Stadtbibliothek genutzt. Durch die Realisierung des 1. Platzes eines Architekturwettbewerbs gelang es, zwischen 2006-2008 das zentrale Gebäude umzubauen, das strukturschwache Bahnhofsumfeld zu stabilisieren und aufzuwerten.
E-Werk – Luckenwalde
Das ehemalige Elektrizitätswerk in Luckenwalde wurde 1913 als Braunkohlekraftwerk gebaut und verlor nach der Wiedervereinigung Deutschlands seine ursprüngliche Nutzung. Das Künstlerpaar Pablo Wendel und Helen Turner haben das Gebäude 2017 gekauft und betreiben es seitdem als öffentliches Kunstzentrum mit Ausstellungen, Performances, Werkstätten und Ateliers. Das Kraftwerk wurde reanimiert und produziert seit 2019 nachhaltigen „Kunststrom“, der ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Podcast zum E-Werk
Altes Stadtbad – Luckenwalde
Direkt neben dem E-Werk wurde 1928 das Luckenwalder Stadtbad gebaut, welches mit der Abwärme des Braunkohlewerkes beheizt und betrieben wurde. Der damalige Chefarchitekt der Siemens-Halske AG, Hans Hertlein, gewann den Bauwettbewerb. Mit der Stilllegung des E-Werks war nach der Wende auch die Weiternutzung des Stadtbades in Frage gestellt.
Ehemalige Hutfabrik – Luckenwalde
Die ehemalige Hutfabrik Friedrich Steinberg, Herrmann & Co ist eines der bedeutendsten Bauwerke des Architekten Erich Mendelsohn. 1921-23 erbaut, gilt das Fabrikgebäude als expressionistischer Industriebau. Die Familie Herrmann verließ bereits in den 1930er Jahren auf Grund der nationalsozialistischen Rassenpolitik Deutschland. Unterschiedliche industrielle Nutzungen folgten. Seit 1991 steht das Gebäude überwiegend leer. Der Erhalt und die teilweise Sanierung konnte nur durch einen 1999 gegründeten Förderkreis ermöglicht werden. Viele Ideen kamen mit einem neuen Besitzer ab 2001. Dennoch konnte sich bis zum heutigen Zeitpunkt keine der neuen Nutzungen durchsetzen.
Militärgelände – Kummersdorf (kann aus technischen Gründen nicht besichtig werden!)
Mit der Eröffnung der Königlichen-Preußischen Militäreisenbahn zwischen Berlin-Schöneberg und Kummersdorf wurde der Artillerieschießplatz 1875 von Berlin-Tegel in den Kummersdorfer Forst verlegt. Auf diesem Gelände finden sich noch die unterschiedlichsten Bauten jener Zeit, wie u.a. die Kommandantenvilla und das Offizierscasino. Die Heeresversuchsanstalt Kummersdorf wurde seitdem durch die Nutzung der Reichswehr, der Wehrmacht und nach Ende des 2. Weltkrieges durch die Rote Armee geprägt und durch Gebäude und Versuchsanlagen erweitert. Unter anderem wurden hier ab den 1930er Jahren Flüssigkeitsraketentriebwerke entwickelt und getestet. Heute gleicht das Geländer einer Geisterstadt.
Alternative: Militärgelände Wünsdorf – Heeressportschule und Haus der Offiziere
Der Bau wurde 1914-1916 bei Wünsdorf zunächst als Militärturnanstalt angelegt und 1924 in eine Heeressportschule umgewandelt. Nach dem 2. Weltkrieg nutze das Gebäude die Sowjetarmee weiter. Das Haus der Offiziere gehört zu einem der ungewöhnlichsten „lost places“. Ein beeindruckend großer Militärkomplex, der über viele Jahrzehnte von wechselnden Militärs, sowohl der Wehrmacht als auch der Sowjetarmee genutzt wurde. Wir werden das sehr weitläufige Gelände mit fachkundiger Führung von Thomas Krause vom Landesamt für Denkmalpflege in Brandenburg besichtigen können.
Mönchenkloster (Franziskaner-Observantenkloster) – Jüterbog
Das ehemalige Franziskanerkloster wurde ab 1483 erbaut. Nach der Reformation wurde die Kirche zur evangelischen Pfarrkirche umgenutzt und ab 1577 ein Teil des Klosters als Gymnasium betrieben. 1970 gab man den Gottesdienstort auf. Danach diente die Kirche als Lager für Schulmöbel und Baustoffe des VEB Baus, was zu einer Verwahrlosung des Bestandes führte. 1980 legte die „Arbeitsgruppe Denkmalpflege Berlin“ unter der Leitung Günther Köpping eine Studie zur Nutzung des Gebäudes als Bibliothek und Theater vor. Die anschließenden Instandsetzungs- und Umnutzungsarbeiten erfolgten in den Jahren 1981-1985. Ab 2001 beschloss die Stadt alle städtischen Kulturinstitutionen im Klosterkomplex unterzubringen. Bis 2005 wurde weiter umgebaut. Heute befinden sich in den Räumlichkeiten die Stadtinformation, das Stadtmuseum und das Stadtarchiv.
Programm (Flyer)
Wir durften uns auf fachkundige Führungen und Beiträge freuen. Mit dabei waren: Ralf Fleckenstein, Architekt Berlin – Ira Mazzoni, Architekturkritikerin und Journalistin München – Ekkehard Buß, Stadtplanungsamt Luckenwalde.
Die Veranstaltung startete im KlassMo-Cafe der ehemaligen Klavierfabrik von Luckenwalde. Mit einem kleinen Einführungsvortrag zum Thema Umnutzung von Ira Mazzoni mit dem wir uns auf die kommenden Tage einstimmen konnten.